Welt: „Die ewigen Zeitnöte“

Interview mit Jonas Geissler
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Die ewigen Zeitnöte

Von Brenda Strohmaier

Veröffentlicht am 11.03.2012

 

Unpünktliche Mitmenschen, viel zu kurze Tage und schier endlose Ampelphasen: Rund um die Uhr gibt’s jede Menge Ärger. Brenda Strohmaier hat bei Fachleuten Rat gesucht.

Warum habe ich eigentlich so wenig Zeit?

Jonas Geißler, Soziologe und Zeitberater beim Münchner Institut Timesandmore:

„Sie haben doch ganz viel davon. Zeit kommt jeden Tag für alle Menschen reichlich neu nach, das ist ganz gerecht auf der Welt verteilt. Wer sagt, er habe keine Zeit, hat ein Problem mit der Uhrzeit – und die ist eine Erfindung des Menschen. Die erste Uhr (die mechanische Räderuhr) wurde vor gut sechshundert Jahren in einem oberitalienischen Kloster erfunden, um die Gebetszeiten besser einhalten zu können. Schnell wurde daraus ein Konstrukt, um Geld mit Zeit zu verrechnen. Also: Wer mehr tut, verdient mehr Geld. Und da man nie genug Geld besitzt, hat man auch vermeintlich nicht genug Zeit. Wenn Sie wirklich mehr Zeit wollen, sollten Sie vielleicht auf Geld verzichten. Aber wollen Sie wirklich mehr freie Zeit? Und wenn, wofür? Wenn Sie sagen, Sie haben keine Zeit, dann heißt das vor allem, Sie sind aktiv, Sie sind anerkannt. Menschen wie Josef Ackermann oder Günther Jauch werden dafür bewundert, dass sie erfolgreich Zeit in Geld verrechnen. Deshalb bewerten viele Aktivität heute so viel positiver als Regeneration und arbeiten viel zu viel, ohne sich all die Pausen zu gönnen, die der Biorhythmus verlangt. Zu wenig Aktivität ist natürlich auch nicht angenehm. Wer – wie Arbeitslose – unfreiwillig zu viel Zeit hat, wünscht sich schnell wieder etwas zu tun.“